Akron/Family/Geburtsvorbereitung

Nachdem ich mit meiner Frau zusammen während unserem allwöchentlichen Geburtsvorbereitungskursus gezeigt bekommen hatte, wie man richtig atmet um Presswehen zu unterstützen, gingen wir mit Klaus und Birgit (Namen von der Redaktion geändert) noch eine Kleinigkeit essen und mussten uns ab diesem Zeitpunkt über Windelwickeltechniken, Kitaanmeldungen und die unglaublich langweiligen Berufe dieser unglaublich langweiligen Menschen unterhalten. So, dass wir uns heute ernsthaft überlegen nach "Eltern mit einem Leben" in den hiesigen Stadtzeitschriften zu inserieren, denn über kurz oder lang muss man sich ja mit den Anhängseln der lieben kleinen beschäftigen. Bestimmt. Das schlimme am Kinderkriegen ist nicht die Sache an sich, sondern die Leute, die sich wie ein Rattenschwanz an dieses Erlebnis mit einer gleichsam dumpfen Penetranz anfügen, die einen nicht nur mit garnicht immer so gut gemeinten Ratschlägen nerven, sondern das Kindkriegen und Elterndasein als gesellschaftsethisch zu begutachtende Tätigkeit einstufen.
Das richtige Verhalten diesbezüglich wird mit der stinkenden Vernunft einer sich selbst disziplinierten Oberlehrerattitüde vorausgesetzt, die das Häuschen im Grünen und einen selbstverständlich drogenlosen Alltag mitdenkt. Nicht nur die verstohlen- ungläubigen Seitenblicke Klaus und Birgits, als ich mir eine Zigarette anzündete, ich erinnere mich auch an ihre weit aufgerissenen, ungläubigen Augen, als ich ihnen beim Zahlen der Rechnung eröffnete, dass ich es eilig hätte, ich wolle noch zu einem Konzert. Offensichtlich waren sie geschockt, dass ich einerseits imstande war, meine schwangere Frau bei ihnen sitzen zu lassen, andererseits überhaupt auf Konzerte gehe ("Konzert? echt? Cool!"). Ich, gleichsam geschockt von der Existenz dieser Amöbenintelligenz, die sich nur auf das Thema Einkommen und Fortpflanzung zu konzentrieren vermag, wurde dann endlich nach meinem Abgang aus dem Café nach einem psychedelisch beflöteten Anfangsgeraschel im Studio 672, während dessen ich noch Zeit hatte einem Freund von dem traurigen Erlebnis zu berichten, plötzlich aus der Depression gerissen und von da ab ging es bergauf:

Selten habe ich so freie, dabei technisch so versiert spielende Künstler gesehen. Es war zu jeder Zeit des Konzertes spannend, was auf der Bühne passierte. Kein Thriller im Kino hat mich jemals so bannen können, wie diese Darbietung. Egal ob es ellenlange Southern-Rock-Soli waren, Black Sabbath- Bassläufe, gepaart mit Terry Rileyschem Synth-geblubber, unbarmherzig hart dahingeprügelt, am Ende aber aufgelöst in dreistimmigem Männerchor, Hippieweisheiten säuselnd und eine an Afro-Pop gemahnende Gitarre einleitend, die am Ende der Tour in minutenlanges Feedbackgepiepe münden sollte, das aber nicht einfach Feedback war, oh nein, es war eine Feedbacksymphonie, unterstützt mit Flöten, Pfeifen und Teremin, sich immer weiter entwickelnd und ausufernd, eine Pfeiforgie, deren Reiz darin lag, dass das Pfeifen sich - je nach Einsatz der Instrumente - mal wie eine Feuersirene, dann wieder wie das Singen eines Kindes anhörte, die Musiker waren stets hochkonzentriert auf ihre Instrumente, auf die Schwingungen in dem engen Kelleraum des Studio 672, aber immer so frei in ihrem Tun, dass sie Alles um sich herum benutzen würden um der Musik gegebenenfalls eine neue Komponente hinzuzufügen, egal ob sich eine herumstehende Wasserflasche oder ein gesampletes Pfeifen aus dem Publikum anbieten würde, um die Realität des Moments interessant zu halten. Die musikalische Freiheit, die von diesen leuten ausging, hatte schon fast etwas Beängstigendes. Begriffe von einer "Universalsprache" und ähnlichem Hippiegedöns schossen mir durch den Kopf, mein Grinsen tat mir irgendwann im Gesicht weh und die ungläubig- begeisterten Blicke meines Kumpels beantwortete ich mit einem gleichsam ungläubigen Schulterzucken. Nach ca eineinhalb Stunden kam die Zugabe vor ca sechzig Gästen, deren Begeisterung durch mehrere freundliche Gesten seitens der Band aufgefangen wurde. Am Ausgang unterhielt ich mich beim anschließenden Plattenkauf mit dem Tourbegleiter: Die Band kam wohl in Teilen aus New York (komischerweise war er sich allerdings nicht ganz sicher) und aus anderen Teilen der USA, er selber aus Prag. Also scheint es sich um eine Fernbeziehung zu handeln, was insofern erstaunlich ist, als daß ihre komplexe Musik nur extrem probenintensiv auf die Bühne zu bringen ist. Wie dem auch sei, dieses Happening wird mich in meinen Gedanken noch lange begleiten und ich werde meinem Sohn bestimmt davon erzählen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen